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WTO-Reform: Welche Position vertritt der Süden?

Artikel-Nr.: DE20190519-Art.08-2019

WTO-Reform: Welche Position vertritt der Süden?

Einseitige Debatte

Die Entwicklungsländer müssen ihre eigene Reformagenda auf den Tisch legen, um sicherzustellen, dass „Entwicklung und Inklusivität“ ins Zentrum der Welthandelsorganisation (WTO) und ihres multilateralen Handelssystems (MTS) rücken. Unter den Titel „WTO-Reformen“ haben die reichen Länder eine spalterische Handelsagenda eingebracht, so der südafrikanische Handelsminister Rob Davies in einem Interview mit der Nachrichtenagentur South-North Development Monitor (SUNS).

Davies nahm am 13. Mai d.J. an einem informellen Treffen von Entwicklungsländern in New Delhi teil. Als Teil ihrer Agenda, sagte Davies, streben die reichen Länder eine Änderung der Klassifizierung von Ländern und der Verpflichtungen an, die sie übernehmen müssen. Die vorgeschlagene „Differenzierung“ von Verpflichtungen zielt vor allem auf Entwicklungsländer. Das vorgeschlagene Klassifizierungssystem basiere auf einem Teile-und-Herrsche-Ansatz, um bestimmte Entwicklungsländer von der besonderen und differenzierten Behandlung (S&DT) auszuschließen, während die Interessen der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) gewahrt bleiben.

● Unterminierung des „policy space“ im Süden

„Das Instrument, das sie benutzt haben, besteht darin, die Diskussion durch die Lähmung der Berufungsinstanz des Streitschlichtungssystems und durch die Behauptung, die Organisation brauche Veränderung, zu erzwingen“, so Davies. „Das Vorgehen war nicht, jemanden der Schurkerei zu beschuldigen, der das Problem dann beheben müsse. Vielmehr wird von den Entwicklungsländern gefordert, für stringente Verpflichtungen im Namen der Transparenz und für eine weitere Stärkung des Regelsystems zu bezahlen.“ Die vorgeschlagenen Transparenz- und Notifikationsverpflichtungen der Reformvorschläge seien nichts anderes als eine „Einmischung“ in nationales Recht und die Rechte der Importeure, argumentierte Davies.

Die andere Gruppe von Reformen, die die reichen Länder vorschlagen, beinhaltet einen höheren und besonderen Status für die „plurilateralen“ Verhandlungen. „Was immer das Ergebnis von plurilateralen Verhandlungen sein wird, andere Mitglieder müssen dem zustimmen, selbst wenn sie nicht Teil der Verhandlungen waren“, sagte Davies. Im Wesentlichen versuchen die reichen Länder durch diese plurilateralen Verhandlungen Regeln für den elektronischen Handel des 21. Jahrhunderts durchzusetzen, die darauf abzielen, den „policy space“ („politischen Spielraum“) der Entwicklungsländer zu untergraben, hob Davies hervor.

● Die Reformagenda des Nordens kontern

Vor diesem Hintergrund ist das von Indien ausgerichtete informelle Ministertreffen ein „positiver Schritt“, da es eine dringende Notwendigkeit für die Entwicklung einer „Agenda der Entwicklungsländer“ gebe, um die ungleichen Reformen, die die reichen Länder vorgeschlagen haben, zu kontern. Mit der Zeit sei die „Stimme der Entwicklungsländer geschwächt“ worden. Deshalb sei die Zeit für die Entwicklungsländer gekommen, „mit stärkerer Kohärenz“ ihre eigene Agenda für Entwicklung und Inklusivität im multilateralen Handelssystem voranzutreiben, so der Minister.

„Statt auf die Reformagenda anderer zu reagieren, müssen die Entwicklungsländer selbst eine Reformagenda vorlegen und alle Fragen detailliert daraufhin untersuchen, ob sie Entwicklung und Inklusivität unterstützen und die Interessen der Mehrheit der Entwicklungsländer voran bringen“, so Davies. Entscheidend wird sein, dass die Reformvorschläge der Entwicklungsländer darauf zielen, „die manifesten Ungleichheiten zu reduzieren, die noch immer in der Weltwirtschaft existieren, und sicherstellen, dass es Raum für die Entwicklungsländer gibt, Nischen bei neuen Technologien und der Entwicklung der vierten industriellen Revolution zu besetzen“. Deshalb müsse „policy space“ für die Entwicklung neuer Technologien gerechterweise bewahrt werde.

● Handelskrieg USA-China wird anhalten

Unter Bezugnahme auf die Handelskriege, vor allem zwischen den USA und China, sagte Davies, dass diese noch eine beträchtliche Zeitspanne weitergehen werden. „Es bleibt ein Bereich der Besorgnis für mehrere von uns, und von der US Section 232 (nationale Sicherheitsbestimmungen) waren wir bereits betroffen und sind es jetzt wieder.“

Der anhaltende Handelskrieg zwischen den USA und China geht vor allem darum, „wer in Zukunft der Hegemon sein wird und wer die vierte industrielle Revolution anführt“, sagte Davies und vermutete, dass „Fragen der Technologie mehr und mehr zu Fragen der nationalen Sicherheit werden“. „Aus unserer Sicht wollen wir weder den einen Master gegen den anderen unterstützen.“ Sogar große Länder in der EU erkennen den Datenmissbrauch für kommerzielle Zwecke, monopolistisches Verhalten und die Vermeidung von Steuern. „Wenn Vorschläge zu diesen Problemen in der Debatte um elektronischen Handel gemacht werden, müssen die Entwicklungsländer sie in einer langfristigen Perspektive betrachten und vorsichtig bleiben. Sonst werden die Entwicklungsländer einen hohen Preis bezahlen.“

Der Handelskrieg USA-China begann nach Davies mit dem Narrativ der „Handelsungleichgewichte und dem Rückgang der Verarbeitungskapazitäten in den USA“. Dann verlagerte sich der Diskurs auf den Aufstieg Chinas zum Technologieführer und Führer der vierten industriellen Revolution, in der die US-Konzerne nur noch die „zweite Geige“ spielen werden.

„Letztlich und grundlegend ist es ein Kampf um die Führung und Vorherrschaft in der vierten industriellen Revolution. Dieser wird nicht verschwinden oder durch ein Treffen zwischen Trump und Xi auf dem G20-Gipfel in Osaka gelöst werden“, hob Davies hervor. „Es mag einen kurzfristigen Waffenstillstand bei Zöllen (zwischen den USA und China) geben, doch letztlich wird dieses Problem in der einen oder anderen Form fortbestehen.

● Konsequenzen für die Entwicklungsländer

In der Konsequenz werden die Entwicklungsländer einem „Entwicklungsweg wie China und andere Länder in der Geschichte der ökonomischen Entwicklung folgen und ihre Politikinstrumente bewahren müssen. Diese Politikinstrumente sind wesentlich, damit ihnen die Leiter nicht unter den Füßen weggestoßen wird, worauf die neuen Handelsregeln der reichen Länder abzielen.“

Letztlich geht es um Multilateralismus. Wird Multilateralismus eine Grundlage sein, auf der wir kollektive Lösungen für kollektive Probleme der Menschheit finden werden? Oder wird es auf ein Machtspiel hinauslaufen, in dem die mächtigen Länder den machtlosen Konzessionen abringen? Für Rob Davies liegen diese existentiellen Fragen genau jetzt auf dem Tisch.

Posted: 19.5.2019

Empfohlene Zitierweise:
Interview mit Rob Davies: WT0-Reform: Welche Position vertritt der Süden? Einseitigwe Debatte, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 19. Mai 2019 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org).

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