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Mit Auslandskapital für Nachhaltige Entwicklung?

Artikel-Nr.: DE20140714-Art.24-2014

Mit Auslandskapital für Nachhaltige Entwicklung?

Eine gefährliche Strategie

Vorab im Web - Die Direktinvestitionen nehmen seit der Krise erstmals wieder deutlich zu. Dabei wächst die Rolle der Schwellen- und Entwicklungsländer. Rascher aber wachsen die liquiden Mittel der Beteiligungsfirmen, Transnationalen Konzerne und internationalen Kapitalfonds. In ihrem World Investment Report 2014 greift die UNCTAD diesen Widerspruch auf und schlägt vor, privates Kapital zur Finanzierung von Investitionen in Nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren – eine gefährliche Strategie, meint Jörg Goldberg.

Die Konzerne schwimmen in Geld. Die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) als Kernprozess der Globalisierung nehmen 2013 erstmals seit dem Vorkrisenhöhepunkt 2007 wieder deutlich zu. Sie liegen mit einem Volumen von 1.450 Mrd. US-Dollar aber immer noch unter dem damaligen Höchststand von knapp 2.000 Milliarden. Wie schon 2012 floss mehr als die Hälfte der Mittel in Schwellen- und Entwicklungsländer. Aber auch als Investoren werden diese Staaten immer wichtiger: 2013 stammten schon 39% der FDI aus der ehemaligen 'Dritten Welt'. War das FDI-Geschäft bis Ende des letzten Jahrhunderts überwiegend eine Angelegenheit der entwickelten Länder, so hat sich das Bild heute grundlegend verschoben.

FDI-Zuflüsse 1995-2016, in Mrd. US-Dollar


Das „trockene Pulver“ der Transnationalen

Der vor allem in den entwickelten Ländern offensichtliche Gegensatz zwischen reichlich vorhandenen liquiden Mitteln einerseits und niedrigen Realinvestitionen andererseits reproduziert sich auch auf der Ebene der FDI. So verzeichnet die Investorengruppe der Kapitalbeteiligungsfirmen („private equity firms“ – vulgo: Heuschrecken) einen Überschuss an liquiden Mitteln (sogenanntes 'trockenes Pulver“) von mehr als einer Billion US-Dollar. Obwohl bei niedrigen Zinsen leicht zusätzliche Mittel mobilisiert werden könnten, werden noch nicht einmal die vorhandenen Ressourcen investiert (17). Die 5000 größten Transnationalen Konzerne horten derzeit liquide Mittel in Höhe von gut 4,5 Billionen US-Dollar, wobei der Löwenanteil von 3,5 Billionen auf Multis aus den entwickelten Ländern entfällt (29). Dort hat die „cash-holding-ratio“, d.h. der Anteil liquider Mittel an den Gesamtanlagen, seit 2006/2008 weiter von 9 auf 11% zugenommen.

Die Überlegung, wie diese Mittel für den Entwicklungsprozess mobilisiert werden können, ist also von zentraler Bedeutung. Umso mehr, als in den Diskussionen über die „Sustainable Development Goals“ (SDG), die 2015 die „Millennium Development Goals“ (MDG) ablösen sollen (>>> W&E 03-04/2014) eine erhebliche Finanzierungslücke identifiziert worden ist: Die UNCTAD hat in den für die SDGs zentralen Sektoren (Infrastrukturen, Klimaschutz, Soziales usw.) eine jährliche Investitionslücke allein in den Entwicklungsländern von 1,9 bis 3,1 Billionen US-Dollar identifiziert (140). Im Sinne der derzeit diskutierten SDG-Partnerschaft mit der Privaten Wirtschaft stellt der WIR 2014 eine Strategie zur Mobilisierung privaten Kapitals zur Finanzierung der SDGs vor, mit der die UNCTAD wohl hofft, den mehr Privatisierung fordernden ökonomischen Mainstream im Sinne einer nachhaltigeren Entwicklung nutzen zu können. Denn bisher sei „die Beteiligung des privaten Sektors an Investitionen im nachhaltigen Bereich relativ niedrig.“ (2) Das soll sich ändern.

Gewinnorientierung contra Nachhaltigkeit

Die Autoren des Berichts sind sich der Widersprüchlichkeit dieser Strategie bewusst: Private Investoren wollen kurzfristig Gewinne erzielen, was bei Investitionen in Nachhaltige Entwicklungsziele nur selten der Fall ist. Daher schlagen sie u.a. vor, das Bewusstsein („business mindset“) der Finanzmanager sowohl in den Multinationalen Organisationen als auch in privaten Unternehmen zu ändern: „Konventionelle Investitionsmodelle werden in der Tendenz ausschließlich von ökonomischen Risiko-Gewinn-Überlegungen angetrieben und ignorieren oft breitere – positive wie negative – soziale und umweltpolitische Auswirkungen“, heißt es im einleitenden Überblick. Ob die herrschende Investitionslogik durch die Einführung von speziellen Modulen in den Curricula der dominierenden „business schools“ nachhaltig verändert werden kann, wie UNCTAD-Generalsekretär Kituyi vorschlägt, ist doch ziemlich fraglich.

Warum sich die UNCTAD überhaupt auf so eine riskante Strategie einlässt, begründet sie so: „Öffentliche Mittel, obwohl zentral und fundamental bei Investitionen in SDGs, können den SDG-Finanzbedarf allein nicht befriedigen“, (137) wird behauptet, ohne dies zu belegen. Andererseits gibt es genug Geld in privaten Händen: „... Transnationale Unternehmen halten Kassenbestände in der Größenordnung von 5 Billionen; die Vermögen von Sovereign Wealth Funds übersteigen 6 Billionen; und Pensionsfonds allein in den entwickelten Ländern halten Vermögen von 20 Billionen.“ (137).

Warum ein (geringer) Teil dieser Mittel nicht über Besteuerung oder spezielle Anleihen zur Deckung der SDG-Finanzierungslücke genutzt werden soll, bleibt unklar: Das wäre der naheliegende Weg, um den Widerspruch zwischen der Tatsache, dass „private Investoren weltweit anscheinend ausreichende Mittel zur Verfügung haben“, diese aber „den Weg in nachhaltige Projekte, vor allem in den Entwicklungsländern“ nicht finden (137), zu lösen. Denn den WIR-Autoren ist klar, dass SDG-Projekte wesentlich öffentlicher Natur sind: “Die Steigerung privater Investitionen in SDG-Sektoren, von denen viele den Charakter öffentlicher Dienstleistungen haben, führt ins politische Dilemma.“ (Key Messages, xi).

Konkret erkennen die Autoren vier „Dilemmata“: (1) Die Übertragung von öffentlichen Aufgaben im Bereich Gesundheit, Erziehung, aber auch von Infrastrukturen wie Energieversorgung, Wasser usw. an private Investoren, kann negative Auswirkungen auf Zugang und Qualität haben; (2) Investitionen in solche Dienstleistungen haben ein ungünstiges Risiko-Profit-Verhältnis; (3) letzten Endes tragen Regierungen die Verantwortung für öffentliche Dienstleistungen; (4) gerade die ärmsten Länder haben den größten Finanzierungsbedarf. Natürlich könnten einige dieser Dilemmata durch strikte und konsequente öffentliche Regulierung überwunden werden. Das setzt aber eine gut organisierte, durchsetzungsfähige und korruptionsresistente öffentliche Verwaltung voraus, deren Fehlen gerade das Problem vieler armer Länder ist.

Mehr Risiken als Vorteile

Dass die eigentlich für 'heterodoxe' Ansätze bekannte UNCTAD ausgerechnet jetzt auf den Zug der 'privaten Partnerschaften' im Kontext der Post-2014-Debatte aufzuspringen versucht, ist politisch-taktisch nachvollziehbar: Im Sinne von 'das Schlimmste verhindern' formuliert der WIR 2014 eine Strategie, die die Privatisierung öffentlicher Leistungen akzeptiert, um gleichzeitig relativ strikte regulatorische Auflagen für private Investoren zu fordern. Trotzdem scheint der Ansatz im Ergebnis außerordentlich gefährlich, und zwar vor allem aus zwei Gründen:
* Indem das Missverhältnis zwischen wachsenden öffentlichen Aufgaben einerseits und sinkender Besteuerung von Gewinnen andererseits akzeptiert wird, wird der Privatsektor faktisch aus der Verantwortung für nachhaltige Entwicklung entlassen.
* Regierungen und globale Institutionen, die nicht in der Lage sind, angesichts überquellender privater Gewinne eine angemessene Besteuerung durchzusetzen, werden auch nicht in der Lage sein, die viel schwierigere Aufgabe der Regulierung privater Investoren durchzusetzen.

Indem die UNCTAD das Prinzip der öffentlichen Verantwortung für öffentliche Dienstleistungen aufgibt, akzeptiert sie ohne Not den Weg in die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, mit allen ihren negativen Folgen.

Hinweis:
* United Nations Conference on Trade and Development, World Investment Report 2014 (WIR 2014): Investing in the SDGs: An Action Plan, 265 pp, UNCTAD: New York and Geneva 2014. Bezug: über www.unctad.org
Posted: 14.7.2014

Empfohlene Zitierweise:
Jörg Goldberg, Mit Auslandskapital für Nachhaltige Entwicklung? Eine gefährliche Strategie, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, 14. Juli 2014 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)

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